Die Ordnungshüter in Deutschland würden sich die Haare raufen. Überhaupt ist das mit der Verkehrsführung in Marokko etwas anders, als wir Mitteleuropäer es einmal gelernt haben. Ein klares System ist nicht immer ersichtlich aber irgendwie funktioniert alles reibungslos. Trotz eines anscheinenden Durcheinanders nehmen alle viel Rücksicht aufeinander. So sind nahezu keine Unfälle zu verzeichnen.
Inmitten des Niemandslandes, auf über 2 000 Meter Höhe begegneten wir einem PKW mit Panne. Wir hielten und trafen auf drei Einheimische. Da keiner von uns in der Lage war den Wagen zu reparieren, bat mich der Fahrer einen kleinen Zettel an seinen Freund zu überbringen. Auf der Rückseite war eine Skizze als Wegbeschreibung. Ich konnte erkennen, dass besagter Freund gut 100 km entfernt, in der Nähe unseres Weges wohnte. Was aber bedeutete, Hilfe ist frühestens in 5 Stunden zu erwarten. Schneller ist es bei derartigen Gebirgsstraßen nicht möglich. Zeit spielt hier aber nur eine untergeordnete Rolle.
Mit der „geheimen“ Botschaft im Gepäck machten wir uns also auf den Weg. Im nächsten Tal die nächste Überraschung: Ein Anhalter! Wir halten und er bittet uns ihn in die nächste Stadt mitzunehmen. Klar, steig ein, sind ja nur 80 km. Erstaunlicherweise fanden wir den Freund des Pechvogels ohne Probleme. Der war auch noch verwunderter als wir, als ich, ein fremder Europäer, die Botschaft überbrachte und lud uns drei samt unseres Anhalters zum Tee. Um seinen Freund würde er sich später kümmern, meinte er. Wir waren mal wieder von der Gastfreundlichkeit dieser Menschen überwältigt.
Nach etwa einer halben Stunde und einem guten Gespräch fuhren wir weiter und setzten schließlich auch den sich herzlichst bedankenden Mitreisenden in Quarzazate ab. Unser Ziel war eine Oase weiter im Osten. Den Weg dorthin säumten unzählige Dünen aus Sand, Steinen und Lehm.
So weit das Auge reicht nur lebensfeindliche Trockenheit, durchschnitten von einer pfeilgeraden Straße. Bis sich nach langer Zeit am Horizont die ersten grünen Flecken zeigten und sich schließlich als riesige grüne Oase öffnete. Ein unglaublicher Anblick und eine Wohltat für die Seele. Wir befanden uns in einer Dattelplantage, auch Obst für den eigenen Bedarf bauen die Bewohner hier an. Untergebracht waren wir in einer Kasba, einem mehrere hundert Jahre alten, aber liebevoll hergerichteten Lehmbau.
Von einer jungen Frau, die das Haus als Familienoberhaupt (trotz der Männer im Haushalt) führt, werden wir herzlich aufgenommen und umsorgt wie Familienmitglieder. Stolz bekommen wir das gesamte Anwesen gezeigt und nehmen wie selbstverständlich am gemeinsamen Familienessen teil.
Die Nacht war dank der Wüstenhitze und zahllosen Mücken wenig erholsam.
Ich wurde jedoch durch einen unbeschreiblich schönen Sonnenaufgang, flankiert von Palmen und den hohen Bergen des Atlasgebirges, mehr als entschädigt.
Wir werden in einer Berghütte des französischen Alpenvereins übernachten. Sebastian zeigt noch immer keine Ermüdungserscheinung, während sich seine Schwester im Schatten ausruht. Ihn zieht es, mit mir im Schlepptau, auf den gegenüberliegenden Hügel. Er will Steine suche, Tiere beobachten und überhaupt alles Tolle und Interessante erkunden.
Abends bekommen wir ein tolles und schmackhaftes Menü und wir schlafen zufrieden in die für Berghütten typischen Etagenbetten.
Am nächsten Morgen gibt es einen Höhepunkt im wörtlichen Sinne. Nach dem Frühstück besteigen wir einen nahen namenlosen Gipfel. Der Weg führt uns durch blumenübersäte Bergwiesen, vorbei an leerstehenden Wohnhäusern und Stallungen, die zum Überwintern der Herden dienen. Zur Freude der Kinder überraschen wir einige Streifenhörnchen beim Sonnenbad auf den Feldern.
Am Ende unserer Tour wartet der Gipfel mit seinen felsigen, aber leicht zu erkletternden Block auf uns. Wir werden mit einem grandiosen Blick belohnt und die Kinder staunen über den auf den benachbarten Gipfeln liegenden Schnee. Schließlich sind wir ja in Afrika!