Broad Peak 8047m - Pakistan2014 - Tourbericht Teil 2
02.07. Schon um 4.00 Uhr pellen wir uns aus den Schlafsäcken. Es beginnt gerade erst zu dämmern und hat schon 20 Grad. Also packen, Zelte abbauen und frühstücken.
Trotz meiner ansehnlichen Blasen komme ich erstaunlich gut in die Schuhe.
Nach gut einer Stunde Marsch, stehen wir vor dem unteren Ende des 60km langen Baltorogletscher. Hier wird mit lautem Donnern der schon reißende aschgraue Baltro-River, ein Zufluss des Indus, geboren. Ich bin beeindruckt!
In der Mittagspause fressen uns die Fliegen auf – Hallo! wir sind hier fast auf 4000m!
Spannend wird es, als eine Flussquerung ansteht. Ein Sicherungsseil gibt es nicht. Christian ist schon durch, einige andere auch, dann wird ein Sherpa um ein Haar mitgerissen. Da entscheiden wir uns, zusammen mit den Trägern, einen sicheren Weg weiter über dem Gletscher zu suchen, finden den mit vielen Umwegen auch.
Meine beiden Blasen sind aufgeplatzt, hatte ich schon befürchtet. Kaum bin ich dabei sie mit Pflaster zu verkleben, stehen wieder Träger mit angeschlagenen Zehen und Knöcheln da. Auch den Mazedonier der K2 Expedition hat es erwischt. Er hat sich bei der Flussquerung einen Fuß tief eingeschnitten. Alle werden verarztet.
Für die kommende Nacht ist Regen angesagt. So bekommen die Träger, die normalerweise im Freien übernachten, starke orangene Planen zum Schutz.
Weitere 13 Träger werden bezahlt und gehen zurück.
03.07. Der Wetterbericht hatte nicht gelogen. Bei 10 Grad und Nieselregen empfängt uns der frühe Morgen.
Heute steht nur eine kurze Etappe an. Dennoch brechen wir schon vor 7.00 Uhr auf.
Hier oben, am und auf dem Baltorogletscher, treffen wir immer wieder auf Lager der pakistanischen Armee. Was die hier wohl bewachen?
In knapp 4 Stunden marschieren wir, wie gestern schon, über unwegsames Gelände bis ins Camp Goro 2 (4310m). Die ganze Zeit hat es geregnet, einfach ungemütlich, so bauen wir auch unsere Zelte im strömenden Regen auf.
Die Träger, ohne wirklich gute Kleidung, verschwinden patschnass unter ihren gestern erhaltenen Planen.
Wir hocken leicht fröstelnd im Messzelt und feiern Richies 46 Geburtstag. Ab Mitternacht setzt Schneeregen ein.
04.07. Fünf Uhr wecken – draußen ist alles weiß. Wir verstauen die triefnassen Zelte in den Packsäcken, frühstücken und wollen los. Aber, die Träger streiken! Nach vielem Hin und Her und finanziellen Zugeständnissen einigt man sich, wenigstens bis zum Concordiaplatz zu gehen. Das kostet uns zwar einen weiteren Tag, aber wir kommen noch ein Stück weiter.
Nach viereinhalb Stunden erreichen wir den Concordiaplatz auf 4575m. Auf genau diesen Ort, dem Zusammenfluss mehrerer Gletscherströme und Anfangspunkt des Baltoro, habe ich mich schon seit Jahren gefreut. Hierher haben schon so viele große und namenhafte Bergsteiger ihren Fuß gesetzt, vom Herzog der Abruzzen über Buhl und Messner bis zu Gerlinde Kaltenbrunner und nun ist so ein Scheißwetter!
05.07. Drei Uhr nachts ist draußen alles hart gefroren. Im Zelt ist es nur knapp über dem Gefrierpunkt. Bis 5.00 Uhr gibt es weitere 15 cm Neuschnee, das macht die Wegfindung schwierig und so irren wir immer wieder im unübersichtlichen Gletscherlabyrint hin und her, erwischen die eine oder andere Sackgasse.
Um 10.15 Uhr erreichen wir den Platz für unser Basislager, eine kleine einigermaßen ebene Fläche an einem See, der zur Trinkwassergewinnung dienen soll.
Jeder sucht einen passenden Platz für sein Zelt inmitten der Steinwüste und versucht den Untergrund bestmöglich herzurichten. Mittag stehen unsere Unterkünfte für die kommenden 4 Wochen.
06.07. Heute ist Ruhetag. So nutze ich die freie Zeit, nun die gesamte Ausrüstung in meinem Zelt zu ordnen.
Über Nacht bekamen wir bei -5 Grad wieder 5cm Neuschnee. Naja, 4865m ganz erträglich.
Bald klart es auf und die Sonne kann ihre wärmenden Strahlen zu uns senden. Den benachbarten Pastore Peak treffen diese auch und so donnern die aufgeweichten Neuschneemassen im 5 Minutentakt zu Tal.
Zum Einstand besuchen wir auch die benachbarten Expeditionen, stellen uns vor. Von den Polen erfahren wir auch gleich die neuesten Ergebnisse der Fußball – WM.
07.07. Um 3.00 Uhr stehen wir auf und frühstücken.
Gut eine Stunde später marschieren wir los. Noch ist es finster und wir suchen uns im Schein der Stirnlampen einen Weg durch das Gewirr der Eistürme, engen Schluchten und (noch) kleinen Bäche, einen Weg hinüber zum Fuß des Berges. Die zahlreichen, teils breiten und tiefen Gletscherspalten erfordern unsere volle Aufmerksamkeit.
Einen weiteren ausführlichen Expeditionsbericht zum Broad Peak findet ihr auch hier
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Noch sind die Bedingungen für den Aufstieg gut, harter Firn und etwa -5°C. Die Steilheit allerdings ist enorm, 50 – 60 Grad verlangen einem schon einiges ab. 7.15 Uhr erreichen wir eine kleine ebene Fläche, die als vorgeschobenes Basislager dient.
Wir rasten kurz und steigen in einen langen Hang ein. Die Lawinengefahr scheint nicht so hoch, trotzdem sind wir froh, als wir endlich am unteren Felsen am oberen Ende dieser Schneefelder ankommen.
10.15 Uhr sind wir fertig und steigen wieder zum BC ab. Anderthalb Stunden später sind wir wieder unten und die Jungs in der Küche sind überrascht, uns jetzt schon zu sehen. Ein schnelles provisorisches Mittagessen bereiten sie trotzdem.
Besonders beim Zeltaufbau, aber auch beim Abstieg, war zu spüren, dass keiner von uns schon akklimatisiert ist. Der Schädel brummt und alles geht langsam. Vom Stehen auf den Frontzacken brennen die Waden, von der Anstrengung die Lunge. Sämtliche meiner Kleidungsstücke sind durchgeschwitzt, trocknen aber auf der Leine recht schnell.
Nachmittags setzt wieder Schneegriesel ein
08.07. Nach den Anstrengungen von gestern ist ein weiterer Ruhetag sinnvoll. So pellen wir uns erst 7.00 Uhr aus den mit Eis bedeckten Schlafsäcken. Es ist ein wunderbarer klarer aber eisiger Morgen. Das Thermometer zeigt -10°C. Als gegen 7.30 Uhr die Sonne das Lager erreicht, wird es sofort mollig warm.
Ich nutze die freie Zeit, um mal wieder Wäsche zu waschen. Gegen Mittag, als die Sonne ihr ganzes Können zeigt, gönne ich mir sogar eine Dusche. Die gestern von den Steigeisenzacken zerrissene Überhose wird geklebt und der Rucksack für den morgigen Aufstieg gepackt.
Das Wetter ist stabil vorausgesagt und so planen wir einen Akklimatisationsaufenthalt von 3 – 5 Tagen in den Hochlagern.
09.07. Schon 2.00 Uhr klingelt der Wecker – ich war doch eben erst eingeschlafen! Wieder ist es eisig kalt. Nach einem guten Frühstück suchen wir eine Stunde später den Weg durch den Gletscherbruch. Nachts führen die so gefürchteten Flüsse kaum Wasser, wenigstens etwas Gutes an dieser unchristlichen Zeit.
4.00 Uhr stehen wir zum zweiten Mal am Einstieg und schnallen die Steigeisen unter die Schuhe. Der Frost hat den Matsch von gestern hart werden lassen. Im monotonen Rhythmus knirschen die scharfen Zacken durch den Firn. Mit einem vertrauenserweckenden „Tack“ sitzen Eisen und Pickel fest im steilen Hang.
Am unteren Lagerplatz rasten wir, stärken uns und trinken viel. Noch im Schatten steigen wir weiter auf. Die ersten Sonnenstrahlen treffen uns mit Erreichen von Camp 1, kurz nach 8.00 Uhr.
Heute ging der Aufstieg für mich erstaunlich geschmeidig. Man merkt, dass ich vorgestern schon einmal hier oben war.
10.07. Die erste Nacht in Camp 1 konnte ich recht gut schlafen. Bereits 4.00 Uhr stehen wir auf und bereiten Frühstück. Das Schmelzen von Schnee nimmt viel Zeit in Anspruch. Eis wäre besser zum Gewinnen von Trinkwasser geeignet, ist effektiver. Nachdem wir gegessen und genügend Flüssigkeit zu uns genommen haben, brechen Torsten, Christian und ich Richtung Camp 2 auf. Richie und Felix sind krank, steigen wieder Richtung BC ab.
Gleich oberhalb unseres Nachtlagers ist eine kurze kombinierte Fels-Eis-Kletterei zu überwinden. Dann beginnt eine lange, etwa 45° steile Rampe. Der Schnee ist hier nicht schlecht, hart von der Nacht.
Im oberen Teil wird der Weg enger, steilt immer wieder in Stufen auf. Hier nutzen wir gern die verlegten Fixseile zur Sicherung.
Nach der Rampe halten wir uns links, dicht an den Felsen. Es ist bewölkt und ein eisiger Wind weht. Die permanente Anstrengung treibt uns trotzdem den Schweiß aus den Poren.
Besonders interessant ist die Kletterei durch einen kurzen Felskamin hinauf zum oberen Schneefeld. Auch hier halten wir uns wieder links an den Felsen, zur Rechten fällt das Gelände steil nach unten auf die Gletscher ab.
Über den letzten, 10m hohen und fast senkrecht stehenden Felsbuckel gelangen wir zum Gratstück. Der Blick ist uns frei auf die bereits stehenden Zelte von Camp 2, dem „Wechtenlager“.
Es ist 9.30 Uhr und wir stehen auf 6020m Höhe, unter uns BC und Godwin-Austin-Gletscher. Die Aussicht ist fantastisch.
Auch hier gibt es nicht gerade Platz im Überfluss und so bauen wir wieder ein kleines Plateau für unser Zelt. Die Arbeit strengt unwahrscheinlich an, und wir sind froh, als das Zelt endlich sturmsicher verankert steht.
Nach einer Stärkung steigen wir in weniger als einer Stunde zurück ins Camp 1.
Mehr und mehr kommt die Sonne durch die Wolken. Den Rest des Tages benötigen zum Ausruhen und Kräftesammeln.
Beim festgelegten Funkspruch ins BC um 18.00 Uhr erfahren wir, dass unser beiden Kranken mit Antibiotika behandelt werden, kein gutes Zeichen – wir machen uns Sorgen.
Schon kurz nach dem Abendessen verabschiedet sich die Sonne und es wird schlagartig eisig kalt. Wir begeben uns zeitig zur Nachtruhe, morgen ist ein anstrengender Tag.
11.07. Auch die 2. Nacht im Hochlager konnte ich Schlaf finden, etwas unruhiger zwar, aber es ging. Die Nachtruhe ist wichtig, sammelt man doch Kräfte für die Anstrengungen des folgenden Tages. Erst 5.50 Uhr stehen wir auf. Das ist ja schon fast „lange Ausschlafen“. Wir können uns das leisten, ist doch der Weg von gestern bekannt und gut abschätzbar.
Nach dem Frühstück räumen wir beide Zelte in Camp 1 komplett, lassen nur einen Kocher, Gas und ein wenig Essen für den Notfall zurück.
In 3 Stunden marschieren wir zum Camp 2, sind 10.00 Uhr oben und beziehen die Zelte. Torsten und ich schlafen im Großen, Christian in dem Kleineren.
Zu unserer Überraschung kommt unser Hochlagerträger Nazir gegen 11.00 Uhr mit Gas und Kocher bei uns an. Auch tibetisches Brot hat er dabei. Diesen „Gruß aus der Küche“ lassen wir uns zum Mittagessen munden.
Weil wir heute so leicht aufsteigen konnten, zieht Torsten ernsthaft einen Weiterstieg zum Camp 3 und zum Gipfel in Erwägung. Felix lehnt das über Funk strikt ab – zu gefährlich. Die Akklimatisation braucht noch einige Zeit. Er würde mit hoher Wahrscheinlichkeit sterben. Endlose Diskussionen folgen.