Broad Peak 8047m - Pakistan2014 - Tourbericht Teil 1
23.06. Gleich nach unserer Ankunft wurde unsere Geduld auf die Probe gestellt. Mohammad Tahir-ul-Qadri, ein sunnitischer Islamgelehrter und Politiker wollte in Islamabad landen, eine Rede halten und samt Anhängerschaft nach Lahore weiterreisen.
Diese Idee fand wohl die Regierung nicht so gut und versuchte das mittels viel Polizei und bis an die Zähne bewaffnetes Militär samt Hubschraubern zu verhindern. Rund um den Flughafen gab es bald heftige Straßenschlachten, bei denen es sowohl in Islamabad, als auch in Lahore Todesopfer gab.
Wir saßen für volle 12 Stunden am Flughafen fest und waren immer wieder in Wolken von Tränengas gehüllt. Ingesamt eine unangenehme und unsichere Situation, die uns im ohnehin knappen Zeitplan einen ganzen Tag kostet.
24.06. Unser Expeditionsleiter, Felix Berg und Sultan, ein Vertreter des pakistanischen Expeditionsveranstalters, versuchen unser Permit zu organisieren. So haben wir Zeit, um Rawalpindi, Verwaltungsbezirk und Nachbarstadt von Islamabad, zu erkunden. Es gibt endlos viele enge Gassen, Basare, fremde Gerüche und Geräusche. Eines aber ist überall gleich: die einladend gastfreundlichen, aber auch neugierigen Menschen. Oft werden wir zum Tee eingeladen, in Gespräche verwickelt und als Gäste willkommen geheißen.
Erst spät abends kommen unser Felix und Sultan mit dem ersehnten Permit zurück. Wir feiern mit einem ersten gemeinsamen Abendessen. Es gibt Gegrilltes bei tropischen Temperaturen in einem wunderschönen Garten mit Fußball-WM-Liveübertragung. Zurück ins Hotel fährt uns Sultan in seinem `68er VW Käfer.
25.06. gegen Mittag soll unser Verbindungsoffizier zu uns stoßen. So haben wir noch den Vormittag um die Faisalmoschee, einen supermodernen, nach dem saudiarabischen König benannten Bau zu besichtigen. Wir gehen eine gut Stunde bei kuscheligen 40 Grad entlang der Stadtautobahn.
An jeder Ecke wächst Cannabis – aber Bier ist verboten – naja…
Die Moschee gefällt mir richtig gut, leider sind die Innenräume nur zu den Gebetszeiten geöffnet.
Immer wieder kommen Leute auf mich zu, begrüßen mich freundlich, meist sogar mit Handschlag. Alle fragen, ob sie mir irgendwie weiterhelfen können und erzählen stolz über sich und ihr Land.
Im klimatisierten Bus geht es anfangs über den 4-spurigen Kashmir-Highway gut voran. Diese Autobahn wird allerdings auch von zahllosen Fußgängern und Eselkarren genutzt. Bald schon verwandelt sich die Piste in einen zweispurigen besseren Weg mit deutlich weniger Asphaltanteil. Es wird holprig – der Karakorum-Highway beginnt.
Über Pässe und immer abenteuerlicher werdende Straßen fahren wir weiter gen Norden, immer in Richtung des gefürchteten Chilas. Im Umland liegen die Hochburgen und Unterschlupfe der Taliban. Genau deswegen übernachten wir auch schon deutlich vorher in Besham. Zu unserem Schutz bekamen wir für die letzte Stunde Fahrt und über Nacht einen bewaffneten Polizisten mit.
Für die 230-km-Wegstrecke brauchten wir 10 Stunden – laufen wäre nicht viel langsamer!
Der letzte Abschnitt des heutigen Tages führt durch die meist enge Schlucht des wild in der Tiefe rauschenden Indus. Oft ist die Straße so eng, dass die Räder des Busses nur wenige Zentimeter neben dem Abgrund rollen. Für die 430 km des Abschnitts benötigen wir mal locker 17 Stunden. Am Abend erreichen wir Skardu (2250m Höhe) und beziehen Quartier im Hotel K2 – Willkommen in Baltistan.
28.06. Heute geht es schon früh morgens los. Die 130km nach Askole führen uns durch schweres Gelände. Einige Flüsse sind auch zu queren, deren tagsüber steigende Pegel nur am Morgen zu überwinden sind.
Wir sortieren und verpacken die Ausrüstung neu. Nach dem Wiegen steht fest: Wir benötigen insgesamt 108 Träger, ziemlich viel für 8 Leute (5 Bergsteiger, 2 Köche und 1 Hochlagerträger).
Nach all den Vorbereitungen und unmittelbar vor unserer ersten Nacht im Zelt macht sich in uns das sichere Gefühl breit: Nun beginnt die Expedition richtig.
Die unangenehm heißen Tagestemperaturen zwingen uns zum fast nächtlichen Aufbruch. So bauen wir im ersten Licht des Tages unsere Zelte ab, frühstücken und brechen zu Fuß auf.
Das Lager ist von so vielen Trägern, die für uns tragen wollen, umringt, dass drei bewaffnete Sicherheitsleute für Ordnung sorgen müssen.
Der erste Höhepunkt des Tages ist das erneute Zusammentreffen mit Aydin, wir hatten ihn bereits in Skardu kennengelernt. Der Typ versucht echt, ein 12-Kilo-Fahrrad auf den K2 zu schleppen. Vor Jahren hat er das schon am Everest versucht. Neben vielen Dollars hat ihn das etliche Finger und fast das Leben gekostet.
Jhola, das nächste Lager auf 3225m erreichen wir bereits 13 Uhr. Bei 32 Grad sucht jeder nur nach Schatten. Endlos lange warten wir auf die Träger mit den Zelten und unserer persönlichen Ausrüstung. Mein letzter Packsack ist erst 18.30 Uhr da.
Die vielen Träger hatten am Morgen noch so heftig um die Lasten gestritten, dass die Polizei einschreiten musste. Deren Aufbruch verzögerte sich dementsprechend.
Nachts stehe ich noch lange vor dem Zelt und schaue in den so wunderbar klaren Sternenhimmel, denke an meine Lieben zu Hause.
In gut 5 Stunden marschieren wir ins nächste Lager, Paiju liegt auf 3450m. Auch hier herrschen Temperaturen über 30 Grad. Zwei Jungs aus unserem Küchenteam waren bereits vor Mitternacht aufgebrochen und haben Zeltplätze im Schatten der wenigen Bäume reserviert, so kann man es wenigstens darin aushalten.
Im Messzelt kommen immer wieder Träger mit allen möglichen Wehwehchen. Einem hat ein Pferd ein ganzes Stück vom Finger rausgebissen, Bauchweh und Durchfall mit Amöbenverdacht, wie auch offene Wunden an Händen und Füßen. Auch in diesem Jahr lehnten wir es wieder ab, einen Zahn mit einen Leatherman zu ziehen.
Am frühen Abend erreicht uns unser Sirdar und bringt traurige Nachrichten. Ein Pferd ist auf einem steilen Felsabschnitt gestürzt und samt den vier Tragelasten im Indus gelandet. Das war für das Tier nicht zu überleben. Eines der Gepäckstücke verschwand auf Nimmerwiedersehen. Erst 1,5km unterhalb konnten die Reste aus den Fluten gefischt werden. Nach meinen Erlebnissen im Vorjahr fürchtete ich anfangs um meine Ausrüstung.
Ich war sehr erleichtert, als sich herausstellte, dass es ein Pferd der benachbarten spanischen Expedition war.
Im letzten Licht des Tages zeigt sich kurz noch der K2, echt beeindruckend.
Die ersten 17 Träger werden entlohnt und gehen zurück.
Heute ist traditioneller Ruhetag (war schon 1957 bei der Expedition der Erstbesteiger um Herrmann Buhl).
Die freie Zeit nutze ich erst einmal, um mich ausgiebig zu waschen. Etwas unterhalb des Lagers gibt es einen kleinen Platz mit fließendem aber eiskaltem Wasser. Die fast schon tropischen Temperaturen machen das Ganze aber erträglich. Auch einige durchgeschwitzte oder vom Anmarsch verdreckten Klamotten sind schnell durchgewaschen und trocknen im warmen Wind.
Auch heute stehen die Träger mit Durchfall, aufgescheuerten Rücken oder Zahnweh Schlange in unserem Messzelt. Christian, Bergretter und heute so etwas wie unser Doc, tut sein Möglichstes, um zu helfen.
Unten am Fluss werden zwei unserer mitgeführten Ziegen fachmännisch geschächtet, abgezogen und zerlegt. Eine gehört den Trägern und eine wandert zu unserem Proviant.
Für die Träger gibt es heute auch eine extra Ration Reis und Mehl. Bei der Ausgabe geht es lautstark zu. Vermutlich gibt es hier und da eine Handvoll mehr zu ergattern.
Gelegentlich mogeln sich Träger einer anderen Expedition an unsere Kerosinkanister, um seinen Kocher mit auffüllen zu lassen. Unser Sirdar sieht das gelassen und macht nur zum Spaß Theater.
Am späten Nachmittag beginnen einige Träger Brot zu backen, die meisten anderen allerdings hocken in Gruppen zusammen, reden und rauchen. Sie warten wohl auf den Sonnenuntergang, um zu essen. Heute hat der Ramadan begonnen. Da meidet auch unser Verbindungsoffizier das Messzelt und isst später mit im Küchenzelt. Lediglich die Hunza sehen das nicht so streng. Glaube ist auch immer ein wenig Auslegungssache