Mich plagt den ganzen Tag Hals- und Kopfweh. Erst als ich endlich eine „Ibu“ nehme, wird es besser. Trotzdem verbringe ich viel Zeit dösend im Zelt. Die Expeditionen der Japaner und Koreaner gehen heute in Camp 1 hoch, wollen Fixseile legen lassen. Sodam läuft schon den ganzen Tag Gebete murmelnd durch das Lager.
Gegen Abend kommt unser Koch mit Zahnweh zu uns. Unsere drei österreichischen Ärzte schauen sich das an, das Wort „Leatherman“ fällt, aber irgendwie traut sich dann doch keiner, den Restsplitter eines Zahnes aus dem Kiefer zu pulen. Antibiotika und Schmerzmittel müssen bis zum Expeditionsende reichen.
Heute beim Schreiben musste ich schmunzelnd an das Buch „Sajama“ von Matthias Falke denken, welches er mir geschickt hat. Da drinnen schreibt er: „Beruflich dominieren Ärzte und Programmierer.“ Von unseren 13 Leuten fielen 6 genau in das Raster.
Morgendlicher Schock! Wir sind den 13. Tag im Gebirge nie tiefer als 1540 m, jetzt auf 5450 m und ich finde eine frisch eingestochene Zecke in meinem Bein. Wo kommt das Vieh hier her? Nur keine Panik, Erste Hilfe Tasche raus (danke Apotheke im Leubatal, Meik Cárdenas) und rauszupfen.
Übergehen zur Tagesordnung – Frühstück. Danach sortiere ich meine Hochlagerausrüstung und –verpflegung, überlegen, was ich morgen mit ins 1. Hochlager nehmen muss und überhaupt schleppen kann.
Die Jacke von Dachdecker Hoffmann trug ich viel
Dann landet unverhofft der Heli im BC, hektisch rennen Sherpas umher, er fliegt wieder ab. Es sollten zwei Verletzte evakuiert werden, der Flieger war aber am falschen Lager. Auch das passiert! Schon das Waschen meiner Wäsche strengt an, schnell fängt der Kopf wieder an zu brummen. Fällt das noch feuchte Textil von der Leine, gefriert es sofort, sobald es nicht mehr direkt in der Sonne ist. Die beiden Iraner, die wir am vor dem Mera La kennengelernt haben, sind da. Sie mussten am Mera Peak umkehren, es gab zu viel Schnee.
Schon kurz nach dem Kaffeetrinken wird es merklich kalt. Alle ziehen sich wärmer an, einige sogar die schweren Bergstiefel. Daunenjacke trägt inzwischen jeder. Wir hocken alle im Dom, in dem die Temperatur kuschlige plus! 4°C erreicht. Dank I-Pod und Ähnlichem dröhnt drinnen mal AC/DC und mal Alpenrock.
Empfehlung: Genießt dieses vertonte Mantra. Es ist in Kathmandu und ganz Nepal allgegenwärtig, ist nahezu überall zu hören. Ich nutze es mittlerweile auf Tour, wenn’s gerade mal schwer wird, singe oder summe es leise vor mich hin und schon geht’s wieder leichter.
Vier Stunden nach Aufbruch stehen wir, nun mit Steigeisen untergeschnallt, am Fuß einer 160 m hohen und bis zu 60 Grad steilen Eiswand. Sie ist anspruchsvoll, aber komplett mit Fixseil versehen.
Im unteren Teil ist die Kletterei kombiniert, teils Fels, teils Eis. Die Sicherungen allerdings sind alles andere als sicher, Seile scheuern gleich mehrfach über scharfe Felskanten oder hängen an dünnen Schnüren, die aus dem Schnee auftauchen.
Insgesamt sind die Verhältnisse gut, der Firn griffig, das Wetter schön, bis wir im oberen Drittel der Steilstufe anlangen. Hier wird es stürmisch und bleibt ab jetzt so.
Ich kann nicht lang schauen, muss in die Senke absteigen, um drüben wieder hoch auf die 6143 m zu Camp 1 aufzusteigen. Oben bin ich ziemlich fertig. Heute war nicht mein bester Tag, erreiche das Lager als Letzter unserer Gruppe. Die meisten Zelte stehen schon, ich kann lediglich noch beim Aufstellen von meinem mitmachen, bin auch nicht böse drüber. Als es steht, räume ich meine Ausrüstung und Verpflegung rein. Ich teile es mit Stefan. Jetzt würde ich gern essen und trinken, aber wir müssen wieder hinunter.
Das Abseilen in der Steilstufe dauert wegen der ewigen Warterei auf ein freies und nicht belastetes Seil ebenso wie der Aufstieg eine Stunde. 17.00 Uhr sind wir endlich wieder im Basecamp, kurz räumen, neue Socken anziehen, hinlegen. Ich döse eine Stunde und verpasse sogar die Vorsuppe vom Abendessen. Es war eine anstrengende, aber tolle Tagestour. Die meisten unserer Gruppe, mich eingeschlossen, haben diesen nervigen trockenen Khumbuhusten.
Ich habe wieder unruhig geschlafen. Diese Probleme in der Höhe hatte ich schon immer, kann damit gut umgehen, da ich eh nicht viel Schlaf brauche.
Nach dem Frühstück werden Matthias und unser Expeditionsleiter Dirk wieder eingeflogen. Beim Abflug räumt der Heli alle zum Trocknen aufgehängte Wäsche und Schlafsäcke ab. Alles wird recht weit verstreut, aber wir nehmen es gelassen, trocknet es halt da.
Heute gibt es die große Puja für uns, ein buddhistisches Gebetsfest mit dem Zweck um Beistand für die Expedition zu bitten. Sodam ist unser Lama. Er betet murmelnd, zündet Räucherstäbchen und Wacholderzweige an. Später bekommen wir Reis und Tsampa – Mehl, werfen alles zum Altar. Dank des böigen Windes sehen die Jungs in Windrichtung bald aus wie die Müller.
Zum Abschluss der bewegenden Zeremonie bekommt jeder ein gesegnetes rotes Bändchen um den Hals, welches vom Dalai Lama stammt.
Noch vor dem Mittagessen bauen wir die Zelte unserer beiden Rückkehrer auf. Das Einfliegen der beiden hatte zusätzlich den Vorteil, dass wir wieder mit frischem Obst und Geflügelfleisch versorgt wurden.