Ich konnte lange nicht einschlafen, weil die Kälte von unten in meinen Schlafsack kroch. Erst als ich noch einige Klamotten unterlegte ging es besser.
Morgens 8.00 Uhr wecken, Tee und Kaffee trinken, eine Stunde später Frühstück. Danach packen wir all unsere Habe und bauen die Zelte ab.
Mitten am Berg kommen uns vier Leute entgegen. Als sie näher kommen, erkennen wir diese als Sherpa. Irgendetwas stimmt nicht, die gehen zu langsam. Beim Zusammentreffen erst bekommen wir mit, dass drei von ihnen (schwer) verletzt sind. Wie erfahren, dass sie beim Anbringen der Fixseile von einer Lawine mitgerissen wurden. Wir leisten Erste Hilfe, müssen die Verletzten aber nicht weiter begleiten, Verstärkung wurde bereits über Funk angefordert und ist auf dem Weg.
Weiter steigen wir zum Seracabbruch, einer 80m hohen Steilstufe. Eisklettererfahrung ist hier nicht von Nachteil. Nach dem ersten Steilstück, unter einer riesigen schon nach vorn hängenden Eisscholle, kommt eine Querung in der Wand. Zwar hängt man im festen Sicherungsseil, ein Ausrutscher wäre dennoch fatal. Man würde einige Meter nach unten fallen und müsste sich mühsam, an der mit 15cm Pulverschnee bedeckten Eiswand, zurück nach oben kämpfen.
Anderthalb Stunden benötigen wir für die „nur“ 80 Höhenmeter. Ziemlich außer Puste rasten wir vor der „doppelten Welle“, einer Laune der Natur, die der Gletscher aus Eis und Schnee formt. Von hieraus ist es nicht mehr weit bis zum Plateau auf 6700m.
Letzte Nacht habe ich „Intervall“ geschlafen – aber ich habe geschlafen. Hätte ich nicht gedacht, dass das hier oben geht. In diesem Jahr fällt mir eh vieles leichter. Während der gesamten Expedition habe ich keine Tabletten geschluckt, hatte glücklicherweise weder Kopfweh noch Probleme mit der Verdauung. Und in der ganzen Mannschaft war ich der Einzige, der auf die Einnahme von Diamox verzichtete.
Wir legen heute einen Ruhetag ein. Jeder versucht, sich so wenig wie möglich zu bewegen. Nach draußen zieht es uns allenfalls, um die die wärmende Sonne zu genießen. Unter uns hängt eine dichte Wolkendecke.
Zwei weitere Expeditionen kommen zu uns herauf, legen aber nur ein Depot an und steigen wieder ab. Die wollen morgen ihre Sherpas mit Seilen schicken, um Jangbu und Ang Pasang beim Versichern des Aufstiegs zu unterstützen.
Viel Zeit verbringen wir mit dem Schmelzen von Schnee und der Zubereitung von Tee und Essen. Wir leben von gefriergetrockneter Fertignahrung, mitgebracht von zu Hause. Nachts gehe ich noch eine Weile vor das Zelt und beobachte den unglaublich klaren Sternenhimmel. In den Tälern unter uns toben Gewitter, sieht von oben toll aus. Ich hoffe nur, die bleiben da unten.
Schon 06.30 Uhr frühstücken wir, der heutige Weg ist weit. Wir bauen die Zelte ab und legen ein Depot mit den Sachen an, die später mit ins ABC kommen. Mit dem Rest der Ausrüstung brechen wir um 09.00 Uhr Richtung Camp 2 auf. Es geht „Jangbus Way“ entlang. Hier ist es nicht so steil, dafür aber tiefer Schnee. Immer wieder brechen wir bis zu den Knien durch die Schneedecke ein, wahnsinnig anstrengend. Dazu kommt fast ständiger Schneefall mit teilweiser Sichtweite um 10m.
Den Platz von Camp 2 auf 7180m erreichen wir um 12.15 Uhr. Alle Sachen für den weiteren Aufstieg, die wir nicht unbedingt im Tal benötigen, graben wir im Schnee als Depot ein und machen uns umgehend wieder an den Abstieg. Immer öfter geraten wir in totale „White Out“. Die Orientierung fällt unglaublich schwer. Schnee und Wind verwehen ständig die Spur.
Zurück am Depot Camp 1.5 der Schock: Raben haben fast alle Säcke aufgehackt und die Inhalte herausgezogen, Tüten zerrissen und Fressbares davongetragen. Abhandengekommen ist bei mir nichts, aber der Schutz vor Nässe ist bei meinem Schlafsack nicht mehr wirklich gegeben.
Das Abseilen über die Steilstufe des Sérac macht keine Probleme, also weiter bis Camp 1. Hier rasten wir ein wenig und legen die schweren Bergstiefel und die Klettergurte ab. Das meiste der Ausrüstung lassen wir in einem Depotzelt hier und steigen mit weniger Last weiter ab.
Den Killerhang runter zu rennen macht allen viel mehr Spaß als uns hoch zuschinden. Auf dem immer noch weiten Weg zum ABC sind zwei unserer Kameraden so fertig, dass wir immer wieder warten und diese zum Weitergehen ermutigen müssen.
So erreichen wir das Lager erst um 20.00 Uhr bei völliger Dunkelheit. Chimi erwartet uns bereits mit heißem Mangosaft und Dorje bereitet uns ein köstliches Dinner.
Tag 21: Nach den letzten Tagen voller Anstrengungen und mit wenig Schlaf, verbrachte ich die letzte Nacht wohlig weich gebettet und süß träumend. Was für eine Wohltat. Nach dem Aufwachen klopfte ich den Schnee vom Zelt. Nun kann die Sonne die Kuppel aufheizen. Hier unten erscheint mir alles bequem und warm, doch am Küchenzelt hängen die Eiszapfen noch lange in der Sonne.
16.45 Uhr die Entscheidung: Wir brechen morgen früh auf, versuchen einen ersten Gipfelangriff. Ich freue mich, weil die Ungewissheit ein Ende hat.
Schon wenig später finde ich mich in meinem Zelt wieder. Die heimliche Aufregung (würde ich nie zugeben) lässt mich jetzt schon packen.
Nachmittags und abends gibt es noch einmal noch mehr und besseres Essen. Das ist doch wohl nicht unsere Henkersmahlzeit?!
Nach ausgiebiger Stärkung packen wir noch einige wenige Dinge und sind kurz nach 10.00 Uhr startklar. Am Chörten brennen Räucherstäbchen. Wir opfern Reis und sprechen erneut, jeder für sich eine Art Gebet, vielleicht mehr eine Bitte in Richtung Berg.
Dann ist Aufbruch. Anfangs gehen wir ein hohes Tempo, alle schnaufen. Nach einiger Zeit finden wir einen guten Rhythmus. Die meiste Zeit haben wir blauen Himmel und 7°C. Bis zum Killerhang brauchen wir 2 Stunden.
Ich richte mich in meiner Unterkunft ein und versuche einige durchgeschwitzte Sachen in der Sonne zu trocknen. Gegen 16.00 Uhr bringt Jangbu uns Tee und Kekse, später noch Wurst und Käse. Jetzt werden wir schon im Hochlager verwöhnt.
Zeitig verziehe ich mich in meinen Schlafsack und bewege mich nur noch, um etwas zu Abend zu essen. Dan kommt erst um 18.00 Uhr im Lager an. Er hat noch die Bilder und Berichte der letzen Tage nach Hause gemailt. Was mich sehr freut.