Tag 21
Ich bin alleine am Busbahnhof Santiago de Chile ausgestiegen, schleppe also mein gesamtes Gepäck über die Stadtautobahn. Den richtigen Ticketschalter finde ich schnell. Die neunstündige Nachtfahrt nach Copiapo kostet etwa 10 € und beginnt schon in eineinhalb Stunden.
Der Bus ist nicht voll belegt. So kann ich mir einen Fensterplatz mit freiem Nachbarsitz organisieren – echt komfortabel.
Die mit 100 km/h vorbeirauschende Landschaft wechselt ständig, meine Nase klebt daher immer an der Scheibe.
Tag 23
Direkt nach dem Frühstück klappere ich einige Adressen ab, um einen Transfer zu bekommen. Nach einigen Fehlversuchen gelingt es mir schließlich einen Fahrer und Basislagerkoch in einer Person zu verpflichten. Nur die Bezahlung gestaltet sich etwas schwierig. Ich muss ein Deposit bei einer bestimmten Bank in Landeswährung hinterlegen. Mit Hilfe eines Einheimischen gelingt letztlich auch das. Der Fahrer will mich in zwei Tagen an der Küste abholen. Also checke ich aus und mache mich erneut zum Busbahnhof auf. Wenig später bin ich unterwegs nach Caldera am Pazifik.
Den heutigen Tag habe ich frei, kann den kleinen Ort und die Küste erkunden.
Im Hafen gibt es überall Seebären.
Am Nationalparkeingang werde ich genauestens nach meinen Plänen befragt. Am Ende wünscht mir der Beamte Gipfelerfolg und eine gesunde Rückkehr. Den aktuellen Wetterbericht bekomme ich dann auch noch.
Während sich Juan Carlos mit dem Kochen beschäftigt, stelle ich die Zelte. Danach habe ich noch Zeit für ein entspannendes Bad in der heißen Quelle und einer ausgiebigen Fotosafari um den See. Ich war lange nicht an einem so wunderschönen Ort wie hier.
Ein kurzes Stück fahren wir auf der Passstraße zurück, dann biegen wir nach links in ei zunächst breites Tal ein. Wege gibt es hier nicht mehr, nur noch losen Grund – wie Rally Dakar.
Nach einiger Zeit verengt sich das Tal und das Gelände wird steiler. Unser Allrader hat große Mühe, sich hier hoch zu quälen.
Auf der Passhöhe wird das Panorama wieder spektakulär. Wir passieren „Tres Cruzes“, dann liegt links vor uns der „Muerte“ und halb rechts der Ojos del Salado – beeindruckend.
Den Nachmittag nutze ich für einen Akklimatisations- und Erkundungsaufstieg bis auf 5800m. Ein Soldat der chilenischen Armee begleitet mich. Sehr gern würde er morgen mit mir zum Gipfel gehen, traut sich die Tour aber nicht zu. Mein Körper hat sich heute bei der Kraxelei in schon recht großer Höhe gut angefühlt. Ich werde das winzige Schönwetterfenster nutzen und morgen einen Gipfelversuch wagen.
Tag 27
Kurze Nacht-1.15 Uhr stehe ich auf- anziehen, frühstücken. Fünf nach zwei gehe ich los, mutterseelenallein. Es ist eisig, etwa minus 20 °C. Im Schein meiner Stirnlampe suche ich den Weg durch die pechschwarze Nacht. Zum Glück geht wenig Wind.
Nach 2 Stunden erreiche ich eine weitere Schutzhütte, Camp Tejos. Hier raste ich 15 Minuten, wärme mich etwas auf.
Das Gelände oberhalb wird unübersichtlich. Plötzlich stehe ich an einem steilen Abbruch. Das kann nicht der richtige Weg sein.
Im fahlen Licht der frühen Dämmerung und der gestrigen Fotos auf meiner Kamera gelingt es mir, mich zu orientieren und die Aufstiegsroute zu finden.
In endlos vielen langen Serpentinen mühe ich mich den steilen Schotterhang hoch. Die aufgehende Sonne beschert mir einen sensationellen Ausblick über das Wüstenplateau mit all den wunderschönen Vulkanen. Meine Akkus leiden unter der Kälte, so kann ich nicht viele Bilder machen, sonst gibt es keine Fotos vom Gipfel.
Bis zum Queren des großen Gletschers komme ich gut voran. Die folgende Traverse fordert einiges an Kondition.
Nach 10 Stunden Aufstieg stehe ich endlich am Kraterrand. Nun trennen mich noch 40 Meter Felskletterei vom Gipfel. Allein und ungesichert hier hochzusteigen, fordert all meine Konzentration. Gewissenhaft prüfe ich jeden Griff und jeden Tritt, bevor ich ihn belaste. Jeder Fehler hätte verheerende Folgen.
13.15 Uhr erreiche ich den höchsten Punkt, 6893 Meter. Ich stehe auf dem Ojos del Salado, dem höchsten Vulkan der Erde.
Leider hat sich das Wetter massiv verschlechtert, es ist Sturm. Ich gönne mir nur wenige Minuten hier oben, mache schnell einige Bilder und beginne mit dem heiklen Abstieg.
17.15 Uhr bin ich zurück im Camp Atacama. Mein Koch freut sich, mich gesund wiederzusehen. Beim Blick zurück nach oben wird mir erst richtig bewusst: Diesen so wunderschönen Berg hatte ich für mich ganz allein. Kein Mensch außer mir ist heute oberhalb von 5200 m Richtung Gipfel aufgestiegen. Was für ein Geschenk!