Nach Tag 1, der ausschließlich der Anreise von München via Abu Dhabi nach Nepal diente, zählen wir heute den 2. Tag einer einmonatigen Expeditionsreise.
Es sind angenehme 25 °C: Ich bin zurück in Kathmandu. Kaum angekommen und im tollen Hotel „Shangri-La“ eingecheckt, nutze ich jede Gelegenheit in der Stadt mit all ihren Eindrücken, Gerüchen und Emotionen einzutauchen. Wie so oft gibt es wieder mal ein Festival. Massen von Leuten sind unterwegs und feiern lautstark.
Die Stadtverwaltung hier hat beschlossen, den Verkehr wieder besser fließen zu lassen und dafür die Straßen zu verbreitern. Dafür haben die Anwohner knallhart ihre Häuser um 2 m zu verkürzen! Echt kein Scheiß, die Leute sitzen mit Hammer und Meißel da und pickern die Vorderfronten ihrer Behausungen weg, überall schauen abgesägte Bewährungseisen raus und man kann ins Innere der Wohnungen sehen.
Morgen sind wir noch den ganzen Tag in der Stadt. Ich bin irre aufgeregt, denn die legendäre Miss Hawley besucht uns, um unsere Expeditionspläne in die Besteigungschroniken aufzunehmen.
Heute geht ein langer heimlicher Wunsch von mir in Erfüllung. Die 89-jährige Miss Hawley, in Kathmandu und der Höhenbergsteigerszene eine Legende, gibt sich die Ehre und kommt mit ihrem alten blauen Käfer samt Fahrer in unser Hotel. Etwas wackelig auf den Beinen aber souverän mit Stift und Aktenblock stellt sie allerei Fragen über unsere geplante Expedition und will so manches Privates wissen. Wir sind schwer beeindruckt. Etwa eine Stunde verbringen wir so und der alte VW knattert wieder vom Hof.
Jetzt habe ich Zeit für meine alte Freundin – Kathmandu.
Ich liebe es, im Trubel einzutauchen und den Charme der Stadt zu schmecken. So schlendere ich zum Durbar Square, setze mich auf meinen Lieblingsplatz auf einer der Pagoden und beobachte das bunte Treiben.
Es braucht so wenig, um glücklich zu sein.
Am Abend finden wir uns alle wieder im Hotel zusammen. Inzwischen gab es einige beunruhigende Telefonate. Seit 4 Tagen ging kein Flug nach Lukla und ein fettes Tief hängt über der ganzen Gegend. Morgen wollen wir doch fliegen …
6.45 Uhr Frühstück, wir haben gepackt, sind motiviert und warten auf unseren Transfer zum Flughafen. … wir warten, warten lang, dann kommt der Anruf: Lukla Regen – No Flight. Sch… , sitzen wir noch einen Tag hier fest und die Zeit für den Berg ist eh schon knapp.
Wir steigen unterdessen ganz nach oben. Auf dem Plateau steht ein beeindruckender Stupa, umringt von hunderten gelb gekleideten Frauen, die gemeinsam in scheinbar festgelegtem Ritual beten und über Stunden eine Zeremonie mit allerlei Blumen, Reis, Münzen und anderem zelebrieren. Interessiert wohne ich dem mir so fremden Ritus bei und beobachte lang.
Wieder am Fuß des Tempelberges angekommen kauf ich mir eineiige Früchte zum Mittag. Als ich die im Schatten essen möchte, werde ich von einem Affenmann attackiert, der auch scharf auf meinen Snack ist. Es ist nur ein kurzer Kampf. Da ich unbedingt Bisse oder Kratzer vermeiden will, lasse ich ihm einen Teil des Obstes als Beute und ziehe mich zurück.
Am Abend treffen wir im Hotel eine fundamentale Entscheidung: Wir fliegen morgen, aber nicht nach Lukla, sondern nach Phaplu, einen wetterunabhängigerem Flugplatz, weiter südöstlich und tiefer gelegen. Leider beschert uns das einen 3 Tage längeren Anmarsch.
Nach etwa 40 Minuten in der Luft steuert der Wahnsinnige ganz vorn die Maschine in ein enges Tal und hält echt direkt auf die Felsen zu, um im letzen Moment das Steuer Anschlag nach links und unten zu reißen. Polternd setzen wir auf einer schmalen ansteigenden Schotterpiste auf und produzieren eine riesen Staubwolke, kommen auf dem Punkt zum Stehen – guter Pilot.
Mittag halten wir in einem kleinen Dorf. Dort gibt Dhal Bhat, das Nationalgericht der Nepali: Reis mit Linsen, etwas Fleisch und gekochtem Gemüse. Die Einheimischen ernähren sich fast ausschließlich davon, essen es morgen und abends. Nachmittags gehen wir noch bis ins 2720 m hohe Ringmu.
Hier schlafen wir in einer Lodge, einer einfachen Unterkunft mit Doppelzimmer, ausgestattet mit 2 einfachen Pritschen.
Auch verpflegt werden wir vor Ort, unsere Küchenmannschaft samt Ausrüstung ist ja noch auf dem Weg von Lukla über die Berge zu uns.
Kurz nach 6 Uhr pelle ich mich aus dem Schlafsack, hatte sehr gut in der Lodge geschlafen. Nach dem Packen der Ausrüstung gibt es unten im Gemeinschaftsraum ein klasse Frühstück mit frischem Ciabatta, Omelett, Kaffee, Tee und gekochten Eiern. Es ist ein sonniger klarer Morgen und wir können die ersten Eisriesen sehen.
Unterwegs gibt es Unmengen von bunten Raupen und Schmetterlingen in allen Farben, aber auch erste Blutegel. Diese lästigen, aber ungefährlichen Plagegeister behelligen uns noch länger. Unsere Unterkunft in Karikola ist am vorderen Ende des Bergrückens errichtet und noch von einem ansehnlichen Kloster samt Stupa überthront.
Erstmals hatten wir in einer Lodge ein Dreibettzimmer, was allerdings einer erholsamen Nacht nicht zuträglich war. Für uns steht eine kurze Tagesetappe an, so können wir den Tag etwas später und gemächlicher angehen. Also in Ruhe packen und dann frühstücken. Kurz nach 9 Uhr ist Start. Unser Sidar Sodam trägt einen geheimnisvollen Zettel mit Kulikrizzelei bei sich. Wir werden neugierig.
Hier stoßen unsere eigentlichen Träger zu uns, samt Küche und eigener Verpflegung. Als „Einstand“ gibt es gleich Nudelsuppe, danach gebratenen Reis mit Gemüse – lecker! Der Abwasch des Geschirrs findet draußen statt, an der einzigen Wasserstelle, mit einfacher Seife. Wir staunen etwas ungläubig, aber alles wir blitzblank.
Meine gewaschenen Socken trocknen nicht, sind bald steifgefroren, also kommen sie tags darauf einfach außen an den Rucksack und trocknen so. Echt beeindruckt hat mich die Feldarbeit mit dem Ochsenpflug und die Aussaat von Hand, ebenso wie das selbstverständliche Mitarbeiten der Kinder. Wie gut wir es doch haben!